Das Thema des Genderns begegnet uns inzwischen jeden Tag. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass es dazu so viel Meinungen wie Menschen auf diesem Planeten gibt. Wie also richtig damit umgehen? 

Sprache soll verbinden

Über unserer Sprache wollen wir erreichen, dass unsere Zielgruppen sich mit uns identifizieren können. Derzeit finden wir uns aber im Spannungsfeld zweier Extreme. Und keines wird allen gerecht. Weder den Verfechtern der einen, noch der anderen Seite. Schlimmer noch, wir werden denen dazwischen nicht gerecht. Gleich wie wir es anstellen, für welche „Sprache“ wir uns entscheiden, wir sind nicht neutral.

Das Weglassen des *Innen hebt das feminine Geschlecht (gewollt oder ungewollt) hervor. Kann das wirklich zu einer neutralen Sprache führen? Diese Frage sollten wir uns alle stellen. Die Gegner, die Befürworter und die große Mehrheit dazwischen.

Wenn wir unserer Sprache neu denken wollen, sodass sie allen gerecht wird, sollten wir alle unsere Scheuklappen ablegen und verdammt noch einmal weiter denken, unser Sichtfeld erweitern!

Genderneutral oder gendergerecht?

Ich verwende sehr bewusst die Begrifflichkeit „genderneutral“. Tatsächlich bin ich der Ansicht, dass das „Gendern“, wie es derzeit praktiziert wird, niemandem wirklich gerecht wird. Der Anhang *innen, schließt nicht wirklich alle ein, hat aber das Potenzial viele auszugrenzen. Die Polarisierung der derzeitigen Diskussion verhärtet die Fronten. So schafft es keine Verständigung. Und das ist doch die wirkliche Aufgabe von Sprache und Kommunikation.

Veränderungen zu erreichen, heißt immer auch dicke Bretter zu bohren. Ein altes, deutsches Sprichwort, das viel Wahrheit und Weisheit in sich birgt. Probleme löst man nicht, indem man das Holz spaltet. Man löst sie durch Verständigung. Und die erreicht man, indem man das Brett durchlässig macht.

Dazu braucht es mehr Geduld und Überzeugungskraft und weniger Vorschlaghammer, anfeindende Diktate. An letzterem sind Meinungsdiktaturen wie fanatische Revolutionen seit jeher gescheitert. Friedliche „Revolutionen“ haben dagegen eher zu nachhaltigen Veränderungen geführt.

„Wir sind das Volk!“, war übrigens eine geschlechtsneutrale Sprachwahl. Gerade uns Deutschen sollte das noch in Erinnerung sein.

Verhärtete Fronten

Meine bisherige Ausführung mag den ein oder anderen nicht gefallen. Das ist ganz normal. Uns allen ist gemein, dass wir eher weniger als mehr kritikfähig sind. Mir ist auch bewusst, dass ich nicht unbedingt Sympathien mit dem bisherigen Artikel gewinne. Zumindest nicht bei den Vertretern der sich gegenüberstehenden Fronten.

Es mag den einen oder anderen nicht gefallen, aber die extremen Pole dieser Diskussion haben sich verrannt. Sie verwenden gegenseitig die Begrifflichkeit der Meinungs- und Sprachdiktatur. Und beide Seiten schießen an ihren Zielen vorbei.

Die Einen beharren auf der Sprache, geschaffen von deutschen Dichtern und Denkern und vergessen darüber, dass diese unsere Sprache dereinst selbst revolutioniert haben. Goethe, Schiller & Co. haben die deutsche Sprache neu „erfunden“ und vereinfacht.

Die Anderen wollen die Sprache über Nacht revolutionieren und vergessen dabei alle mitzunehmen und allen gerecht zu werden. Das *Innen macht unsere Sprache eben nicht neutral. Und Schnellschüsse werden schnell zur Rohrkrepierern.

Beide Seiten erzeugen Unsicherheit bei der Mehrheit, der es im Grunde egal ist, wie sich Sprache entwickelt, sofern sie sich wirklich entwickelt und nicht von Minderheiten diktiert wird – gleich von welcher Seite.

Sprache ist Austausch und Verständigung

Austausch ist, wenn man achtsam zuhört, reflektiert, gemeinsame Nenner sucht und findet. Verständigung entsteht, wenn man die Befindlichkeiten des Gegenübers versteht, und emphatisch darauf eingeht.

Actio und Reactio. Druck erzeugt immer Gegendruck. Das ist das dritte Axiom der Newtonsche Gesetze. Die Natur sucht immer den Ausgleich. Und Menschen sind und bleiben immer ein Teil der Natur und dieser Gesetze.

Das gilt natürlich auch für unsere Kommunikation. Und damit sind wir wieder am Anfang. Wenn wir erfolgreich kommunizieren wollen, sollten wir immer den Ausgleich im Auge behalten.

Wir können es niemals allen zu 100 % recht machen. Das müssen wir auch nicht. Es ist nicht möglich, alle gleichermaßen zu erreichen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Unser Bestreben sollte es aber immer sein, achtsam, verständnisvoll und offen auf andere zuzugehen.

Gendern oder nicht, ist nicht die Frage

In der Regel reicht es aus, niemandem vor den Kopf zu stoßen. Konstruktive Kommunikation führt eher zum Ziel, als destruktive Kommunikation. Authentisch und gleichzeitig achtsam zu kommunizieren ist in der Regel zielführender als zu polarisieren.

Wir müssen uns nicht in allen Belangen mit allen gleichstellen. Viel wichtiger ist es, unser Bestes zu tun und klarzustellen, dass wir genau das tun.

Wenn wir für uns selbst das Gendern bevorzugen, dann sollten wir jene mitnehmen, die das nicht mögen, indem wir ihnen erklären, warum wir das tun und wir sie deshalb nicht ausschließen möchte.

Wenn wir nicht gendern, dann sollten wir offen und ehrlich mitteilen, warum wir das nicht tun und wir damit niemanden ausgrenzen wollen.

Authentizität ist die Basis für Vertrauen

Lügen haben kurze Beine. Verstellen wir uns, um es anderen recht zu machen und damit unseren monetären Erfolg zu steigern, werden wir früher oder später als Opportunisten erkannt. Dann werden wir niemanden mehr erreichen.

Sind wir dagegen echt, authentisch und dennoch offen für andere Meinungen, Belange und Überzeugungen, schaffen wir eine Vertrauensbasis, auf deren Grundlage wir auch Menschen erreichen, die anders als wir denken und sind, weil diese sich sicher sein können, dass wir sie nicht hinters Licht führen, sondern immer offen und ehrlich sind.

Ein Beitrag zum Gendern in der SEO (Suchmaschinenoptimierung) folgt in Kürze

Zu meiner privaten Motivation in diesem Thema

Ich bin weder für noch gegen das Gendern. Ich präferiere aber eine genderneutrale Sprache und nicht das *innen. Als langjähriger, politischer Aktivist für LGBTQIA+ (und ich hoffe, da kommen nicht noch mehr Buchstaben hinzu) weiß ich nicht nur um die Problematik der Wahrnehmung unterschiedlicher Geschlechter, ich verstehe und unterstütze die Bestrebungen der Gleichstellung aller Menschen.

Dieser Artikel ist kein für oder wider in diesem Thema. Mir geht es um eine achtsame und emphatische Kommunikation, die nicht nur alle Menschen erreicht, sondern auch für alle Menschen verständlich und nachvollziehbar ist.

Ich habe meine eigene Meinung und die habe ich auch bewusst in diesen Artikel einfließen lassen. Gerade weil ich weiß, dass das ein wichtiges Thema ist, das eine öffentliche Diskussion mehr als verdient hat.

Trotzdem teile ich in voller Überzeugung keiner der sich gegenüberstehenden Seiten. Wirklicher, nachhaltiger Wandel entsteht durch Überzeugungskraft und versöhnliche Lösungen und nicht durch Diktate.

Geschlechtsneutrale Sprache anders gedacht

Der folgende Link soll eine Anregung sein, wie eine geschlechterneutrale Kommunikation möglich ist. Die Tatsache, dass ich diesen Link und den Inhalt teile bedeutet nicht, dass der Inhalt auch meiner Meinung entspricht. Ich war weder an der Erstellung des Inhaltes beteiligt, noch bin ich dafür verantwortlich oder haftbar zu machen.

Technische Universität Braunschweig (2021): Leitlinie Sprache und Diversität

https://www.tu-braunschweig.de/fileadmin/Allgemeine_Dokumente/Ordnungen/Sprache-und-Diversitaet_Leitlinie-WEB-2021-11.pdf

21 % von 10.000 Befragten wählten geschlechtergerechte Version, 75 % die mit gegnerischem Maskulinum

Quelle (2022): https://link.springer.com/article/10.1007/s11615-022-00380-z